Der Energiepreisanstieg trifft das gesamte Handwerk und vor allem energieintensive Gewerke hart. Viele Handwerksbetriebe befürchten deshalb im vierten Quartal eine weitere Verschlechterung der Lage.
In der aktuellen Konjunkturumfrage der Handwerkskammern Flensburg und Lübeck berichteten 52 Prozent der Handwerksbetriebe von einer guten, 38 Prozent von einer befriedigenden und 10 Prozent von einer schlechten Geschäftslage im dritten Quartal 2022. Damit ist der Anteil der Betriebe mit guter Geschäftslage gegenüber dem Vorquartal um knapp zehn Prozentpunkte gesunken. Dieses dennoch recht solide Gesamtbild wurde aber primär von einer bisher auskömmlichen Auftragslage im Bauhauptgewerbe und im Ausbauhandwerk geprägt, während die Geschäftslage insbesondere im Nahrungsmittelhandwerk und in einer Reihe weiterer Gewerke bereits deutlich schlechter ist. Zudem berichteten aus allen Bereichen des Handwerks mehr Betriebe als im bisherigen Jahresverlauf von Auftrags- und Umsatzrückgängen sowie von sinkenden Investitionen. Die Beschäftigtenzahlen blieben jedoch weitgehend unverändert.
„Vor allem die massiv gestiegenen Energiepreise machen dem Handwerk zu schaffen“, erklärt Ralf Stamer, Präsident der Handwerkskammer Schleswig-Holstein. „Besonders hart trifft es dabei die energieintensiven Betriebe beispielsweise aus dem Bäcker- und Fleischerhandwerk oder aus dem Textilreinigerhandwerk, die stark auf eine bezahlbare Gasversorgung angewiesen sind“, ergänzt Stamer. Aber auch alle anderen Gewerke des Handwerks leiden unter den extrem hohen Preisen für Gas, Heizöl, Strom und Kraftstoffe. Zudem macht sich immer stärker bemerkbar, dass die hohe Inflation die Kaufkraft der Kundinnen und Kunden des Handwerks deutlich schwächt und sie deshalb weniger Aufträge an das Handwerk vergeben.
Viele Gewerke sind auch weiter von den Auswirkungen der gestörten Lieferketten betroffen. Lieferprobleme und anhaltende Preissteigerungen bei Materialien und Vorprodukten bleiben also ebenfalls Belastungsfaktoren für das Handwerk.
Erwartungen für die nächsten Monate
Ein erheblicher Teil der Handwerksbetriebe in Schleswig-Holstein erwartet für das vierte Quartal 2022 eine weitere Verschärfung der Situation: 41 Prozent rechnen für den Zeitraum Oktober bis Dezember mit einer Verschlechterung ihrer Geschäftslage, 54 Prozent mit einer gleichbleibenden Entwicklung und nur fünf Prozent mit einer Verbesserung. Entsprechend gedämpft sind auch die Erwartungen an die Entwicklung von Auftragsbeständen, Umsätzen und Investitionen. Angesichts weiter steigender Einkaufspreise bei Energie sowie bei Materialien und Vorprodukten des Handwerks rechnet eine deutliche Mehrheit der Betriebe damit, die Verkaufspreise im vierten Quartal weiter erhöhen zu müssen.
„Im gesamten Handwerk ist eine starke Verunsicherung zu spüren, was die kommenden Monate bringen werden. Viele energieintensive Betriebe sind jetzt schon in einer existentiellen Notsituation, weil sie nicht mehr kostendeckend produzieren und Preissteigerungen nicht mehr an die Kunden weitergeben können“, sagt Ralf Stamer. Umso wichtiger ist es, dass die Politik die mehrfach versprochene Energiepreis-Entlastung mittelständischer Betriebe zügig umsetzt. Mit der angekündigten Gaspreisbremse gibt es jetzt grundsätzlich richtige Signale. Stamer betont aber: „Der geplante Start der Entlastung erst im März 2023 ist für unsere betroffenen Betriebe deutlich zu spät. Sie brauchen dringend schnellere Hilfen und auf jeden Fall eine Entlastung auch in den Monaten Januar und Februar“.
Die Ergebnisse aus den beiden Kammerbezirken
Im Kammerbezirk Flensburg (kreisfreie Stadt Flensburg sowie Kreise Dithmarschen, Nordfriesland, Rendsburg-Eckernförde und Schleswig-Flensburg) sprachen im dritten Quartal 58 Prozent der befragten Betriebe von einer guten, 34 Prozent von einer befriedigenden und 8 Prozent von einer schlechten Geschäftslage. Damit bewegt man sich auf dem Niveau des Vorquartals (zweites Quartal 2022) und des Vorjahresquartals (drittes Quartal 2021).
Insbesondere Bau- und Ausbaugewerbe profitierten noch von einem Auftragsvorlauf. Aber auch dieses Polster schwindet. Bei diesen beiden Branchen, bei den Handwerken für den gewerblichen Bedarf, dem Kfz- Handwerk und beim personenbezogenen Dienstleistungshandwerk wurde der Sommer noch relativ gut bewertet.
Das Nahrungsmittelgewerbe wertete die letzten drei Monate schlechter als im Vorquartal und Vorjahresquartal. Auch das Geschäftsergebnis bei den Gesundheitshandwerken konnte nicht an die Werte der Referenzquartale heranreichen.
Bezogen auf das Gesamthandwerk im Kammerbezirk wurde im dritten Quartal eine stabile Beschäftigungssituation registriert. Der Auftragsbestand wies noch ein Plus auf, was auch zu gestiegenen Umsätzen führte. Allerdings zeigte sich beim Auftragseingang ein Rückgang bei fast jedem dritten Betrieb. Die Preise steigen unverändert. 92 Prozent der Betriebe berichteten von gestiegenen Einkaufspreisen, zwei Drittel von einem Anstieg der Verkaufspreise. Die Investitionen gingen leicht zurück.
Im Kammerbezirk Lübeck (kreisfreie Städte Kiel, Lübeck und Neumünster sowie Kreise Herzogtum Lauenburg, Ostholstein, Pinneberg, Plön, Segeberg, Steinburg und Stormarn) meldeten für das dritte Quartal 49 Prozent der Betriebe eine gute, 40 Prozent eine befriedigende und 11 Prozent eine schlechte Geschäftslage.
Bei der Einschätzung der Geschäftslage gab es erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Gewerbegruppen. Die besten Bewertungen kamen aus dem Ausbauhandwerk und aus dem Bauhauptgewerbe. Während die Stimmung im Ausbauhandwerk nahezu auf dem Niveau des Vorquartals blieb, verschlechterte sich diejenige im Bauhauptgewerbe jedoch um mehr als 20 Prozentpunkte. Im Gesundheitshandwerk, im Kraftfahrzeughandwerk und im Handwerk für den gewerblichen Bedarf dominierten die Meldungen einer befriedigenden Geschäftslage bei zugleich moderatem Anteil von Betrieben mit schlechter Lageeinschätzung.
Im Nahrungsmittelhandwerk sowie im personenbezogenen Dienstleistungshandwerk berichtete hingegen rund jeder vierte Betrieb von einer schlechten Geschäftslage. Im Nahrungsmittelhandwerk war zugleich der Anteil der Betriebe mit guter Lageeinschätzung unter allen Gewerbegruppen mit Abstand am niedrigsten, gefolgt vom personenbezogenen Dienstleistungshandwerk. Dies dürfte auch auf die hohe Energieintensität der Nahrungsmittelhandwerke sowie vieler Gewerke des personenbezogenen Dienstleistungshandwerks (z.B. Friseurbetriebe, Textilreinigungen) zurückzuführen sein.
Im Vergleich zu den Vorquartalen dieses Jahres berichteten gewerkeübergreifend mehr Betriebe von Auftrags- und Umsatzrückgängen sowie von sinkenden Investitionen. Die Beschäftigtenzahlen im Gesamthandwerk blieben aber weitgehend unverändert