Unter dem Namen Trave-Campus plant die Handwerkskammer Lübeck seit 2017 den Neubau dreier Einrichtungen: die Berufsbildungsstätte Travemünde, sechs Landesberufsschulen in Trägerschaft der Kammer und das Fortbildungszentrum der Handwerkskammer. Nun steht fest: Der Trave-Campus wird ohne die Landesberufsschulen entstehen. Bis zuletzt hatte sich die Kammer dafür eingesetzt, den Trave-Campus vollumfänglich, also mit den Landesberufsschulen, realisieren zu können. Für diese Variante, die auch als „große Lösung“ bezeichnet wird, wurden zuvor sämtliche Realisierungsmöglichkeiten geprüft. Auch eine Task Force unter Federführung des Bundesbildungsministeriums und unter Beteiligung des Kieler Bildungsministeriums sowie der Kammer beschäftigte sich zwei Jahre mit möglichen Finanzierungsmodellen. Im Frühjahr 2024 hatte das Land Schleswig-Holstein schließlich erklärt, die für die Realisierung des großen Trave-Campus zusätzlich erforderlichen Finanzmittel in Höhe von 42 Millionen Euro nicht zur Verfügung stellen zu können. Die fehlenden Mittel, aber auch eine weitere Verzögerung des Baubeginns bei Weiterverfolgung der großen Lösung um nochmals zweieinhalb Jahre, veranlasste die Vollversammlung, die ursprünglichen Planungen nicht weiterzuverfolgen und den Weg für eine realisierbare Variante frei zu machen.
Ein deutliches „Ja“ der Politik zum Leuchtturmprojekt fehlte
„Wir sind natürlich enttäuscht. Unser Ziel war immer, mit dem großen Trave-Campus ein Exzellenzzentrum und Aushängeschild für die berufliche Bildung mit überregionaler und bundesweiter Bedeutung zu schaffen. Von der Landespolitik hatten wir uns eine Zusage für die erforderlichen Finanzmittel und damit ein deutlicheres Zeichen zur Stärkung der handwerklichen Bildung in Schleswig-Holstein gewünscht und erhofft. Uns ist die Haushaltlage des Landes bewusst, allerdings ist die Förderung der Bildung und besonders der beruflichen Bildung vor dem Hintergrund des Fachkräftebedarfs alternativlos“, sagt Kammerpräsident Ralf Stamer. Die Entscheidung, die große Lösung aufzugeben, habe sich niemand leichtgemacht, so Stamer weiter. Selbst die Möglichkeit einer Zwischenfinanzierung des fehlenden Landesanteils durch die Handwerkskammer wurde diskutiert, musste schließlich aber aufgrund der extrem hohen finanziellen Risiken für die Kammer verworfen werden.
Stamer plädierte dafür, jetzt nach vorn zu schauen und den Trave-Campus in einer finanzierbaren Variante zu realisieren. Damit verweist der Kammerpräsident auf die „kleine Lösung“: eine Variante mit deutlich reduziertem Bauumfang, in der nur Lehrgänge im Rahmen der so genannten Überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung für die Gewerke durchgeführt werden, deren Auszubildenden ausschließlich aus dem Kammerbezirk kommen. Bereits seit 2020, nachdem in einer Vorkostenschätzung erhebliche Kostensteigerungen bei dem geplanten Bauvorhaben festgestellt wurden, verfolgt die Kammer diesen Ansatz parallel planerisch weiter. Er wurde inzwischen soweit vorangebracht, dass in den nächsten Monaten ein Förderantrag gestellt werden kann. Die Vollversammlung gab nun in ihrer Sitzung am 14. Mai mit der Entscheidung gegen die große Lösung gleichzeitig grünes Licht, die kleine Lösung umzusetzen. „Wir sind dem Bund und dem Land dankbar, dass beide gemeinsam diese Lösung mit insgesamt 75 Prozent der Kosten fördern werden“, führte der Kammerpräsident aus.
Option auf Erweiterung besteht
Auch die sogenannte kleine Lösung des Trave-Campus ist immer noch ein komplexes Bauvorhaben mit etwa 16.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche. Es sollen neben der Überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung in den Gewerken Elektro, Anlagenmechaniker Sanitär-Heizung-Klima, Metall, Feinwerkmechaniker, Kraftfahrzeugtechnik, Friseur und Schweißen vor allem Fortbildungsmaßnahmen durchgeführt werden. Der Baubeginn ist für 2026 vorgesehen, die Fertigstellung würde dann Mitte 2029 erfolgen. Die Kostenschätzung der von der Kammer beauftragten Planer beträgt etwa 142 Millionen Euro.
Zusätzlich hat die Vollversammlung die Möglichkeit einer Erweiterung offengehalten: Auf dem Gelände könnten Erweiterungsbauten errichtet und von der Handwerkskammer zwischenfinanziert werden, wenn das Land dies wünscht. So könnten für weitere Gewerke Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen werden, insbesondere für die Landesberufsschulen. Dies setzt aber eine Abstimmung mit dem Land voraus, die zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht erfolgen konnte.
Erläuterung zur Überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung:
Die Überbetriebliche Lehrlingsunterweisung ist Teil der Berufsausbildung im Handwerk. Sie ergänzt in ein- oder mehrwöchigen Lehrgängen die praktische Ausbildung im Betrieb und die theoretische Ausbildung in der Berufsschule um jene Praxisanteile, den viele kleine und oft spezialisierte Betriebe nicht selbst vermitteln können. Im vergangenen Jahr wurden in der Berufsbildungsstätte Travemünde und im Fortbildungszentrum über 820 Lehrgänge mit etwa 7.400 Teilnehmerinnen und Teilnehmern durchgeführt.